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IM EINSTIGEN GRENZLAND

Die Seen haben es mir angetan, na und ? Ich bin nicht die Einzige. Masuren ist beliebt. Viele Prominenten und Stars überraschen uns so gern mit ihren Bildern im Pferdesattel, auf einer Yacht oder beim Baden. Im Bewusstsein der Meisten wird Masuren mit Mikołajki/ Nikolaiken, Giżycko/Lötzen oder aber Węgorzewo/ Angerburg assoziert, die in der Sommerzeit von den vielen Besuchern zu platzen drohen und danach voll Verzweiflung nach unterschiedlichsten, immer merkwürdigeren Unterhaltungsmöglichkeiten suchen, um auch nur einen Bruchteil von diesen Besucherströmen zu lockern. Das ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass diese Region im Sommer und im frühen Herbst am schönsten und im Frühjahr am traurigsten und am meisten nostalgisch von allen ist. Das ist ein Land, dass die menschlichen Seelen in Obhut nimmt und ihren Wahrnehmungsbedarf an Schönheit und Harmonie, ihre Sehnsucht nach Einsamkeit zufriedenstellt. Über die Großen Masurischen Seen oder die Johannisburger Heide wurde und wird bereits in zahlreihen Bändern immer wieder geschrieben, über ein kleines Gebiet des preußischen Oberlandes, welches sowohl landschaftlich als auch historisch mit Masuren eng verwachsen ist, hat man heutzutage so gut wie vergessen. Dort wo das weniger bekannte Westmasuren, Ermland, die Region der Unteren Weichsel und das Land Löbau zusammenkommen, im ewigen polnisch – deutschen Grenzland, liegt die ehemalige faszinierende historische Region von Prusy Górne, dem deutschen Oberland, auch Hockerland genannt.

In den Namen vieler ihrer Ortschaften können immer noch einzigartig klingende Töne der niemals in Schriftform festgehaltenen Rede ursprünglicher Bewohner dieser Gegend, der Preußen wahrgenommen werden. Die Preußen wurden durch deutsche Ansiedler, hauptsächlich aus Oberschlesien, und durch polnische Ansiedler , vor allem aus Mazowsze verdrängt. Mit der Zeit ist hier genauso wie im östlichen Teil von Masuren eine besonders reichhaltige kulturelle und sprachliche Mischung entstanden, die wir in den Werken von Siegfried Lenz, Ernst Wiechert, Marion Döhnhoff, Kazimierz Orłoś, Zbigniew Nienacki, Ernst Kruk und vielen ,vielen anderen auffinden können. Eins verbindet sie alle, Deutsche, Polen, Litauer und andere , egal zu welcher nationalen Identität sie sich auch bekennen oder bekannt haben. Mal streiten sie mal suchen sie Versöhnung mit dem preußisch-masurischen geistlichen Trübsal, aber sie zeigen immer ihre größte Hochachtung der unbeschreiblichen, bizarren Schönheit der Natur gegenüber.

Es würde keinen Sinn machen, sich an dieser Stelle mit verwirrender, diffuser und schwieriger Identifizierung dessen, was Polnisch und was Deutsch auf diesem Boden ist, auseinanderzusetzen. Lassen wir es lieber denjenigen, die den Bedarf nach einer solchen Differenzierung verspüren. Abgesehen vom schematischen Denken, wie zum Beispiel bei unserem durchaus litauisch-polnischen Wańkowicz auf der einen Seite und bei solch einem wie Max von Töppen auf der anderen Seite will ich hier über einzigartige Orte berichten, die mein Mann Arek und ich während unserer zahlreichen Wanderungen durch diese lediglich einige Tausend Quadratkilometer große Gegend entdeckt haben. Sie haben in uns Wohlgefühl, Interesse, Begeisterung erweckt, die wir gerne mit Euch teilen wollen.

Einer von diesen Orten ist ein winziges Kraplewo, einst Kraplau im Kreis Osterode/Ostróda. Der Wikipedia nach soll es „am Fusse der Kernsdorfer Höhen“ gelegen sein. Kann sein, aber in der gegenwärtigen Topographie stellt die Landstraße Warschau-Danzig über Hohenstein, aktuell im Umbau, einen viel besseren Orientierungspunkt dar. Kraplau ist lediglich einige Kilometer von dieser Straße entfernt, daher findet man leicht dorthin. Lasst uns jedoch nach Kraplau wie immer von der Gegenseite, von Warweiden/ Wirwajdy und Bergfrieden/Samborowo einfahren. Ein schmaler asphaltierter Straßenfaden läuft wie fast alle lokalen Wege hier, in einem von Bäumen umgebenen Tunnel und führt uns zur Straßenkreuzung vor dem Dorf direkt auf eine kleine Kapelle mit der Figur der Mutter Gottes hinaus, die mit ihrem Gesicht der Siedlung zugewandt ist. Von hier aus geht der Blick hinter die Kapelle zu einem kleinen vom Wiesengrün umhüllten See. Namen der Ortschaften, an denen wir vorbeigefahren sind wie Nastajki, Smykowo, sogar Brzydowo , schmeicheln uns die Ohren. Selbstverständlich hat jede von ihnen ihre deutsche Entsprechung, die uns jedoch nicht so vertraut vorkommt. Am Scheideweg an der Kapelle stehen keine Wegweiser, der Weg nach links führt nach Lichteinen/Lichtajny, wir biegen nach rechts hinunter. Zuerst fahren wir an einem mit Altbäumen dicht bewachsenen Hügel vorbei, wo sich einige vergessene Grabsteine der ehemaligen Bewohner dieser Siedlung aus der Vorkriegszeit vor neugierigen Augen verbergen. Dann ziehen sich die Häuser wie in jedem typischen einstweiligen Straßendorf hin. Noch ein Augenblick und es zeigt sich die uns so gut bekannte Kirche in Kraplau/Kraplewo. Umgeben von ehrwürdigen alten Bäumen, mit glänzender Seefläche im Hintergrund steht das gut erhalten gebliebene, historisch wertvolle weiße Fachwerkgebäude der Kirche mit gut sichtbaren schwarz bestrichenen Tragbalken, einer Doppelreihe von charakteristischen Fenstern und einem kleinen Türmchen.

Die Kirche wurde im 19. Jh. im Stil der romantischen Gotik mit den mit Tudorbogen geschlossenen Fenstern gebaut. In unserer polnischen Landschaft ist sie ein seltsames und einzigartiges Objekt. Damit diese Bildgebung vollständig ist soll noch erwähnt werden, dass hinter der Kirche Richtung See ein sehr origineller Glockenturm aus Holz steht. Trotz zahlreicher historischer Gewitter hängen daran immer noch zwei Glocken aus den Jahren 1670 und 1708, die bis heute von Hand geläutet werden. Dem Pfad hinter dem Glockenturm folgend erreicht man noch einen sorgfältig gepflegten Gemüsegarten und ein Stückchen weiter den Seeufer. Wir waren hier öfters, fast immer war die Kirche geöffnet und ihre Räume gastfreundlich und allen zugänglich. Misstrauen und Angst wie auch stumpfer Vandalismus haben diese Gegend wohl immer noch nicht erreicht. Immer wenn wir hier sind genießen wir den Vorteil eines Wandernden und gehen hinein. Die Kirche in Kraplau ist keine katholische Kirche, und sie war es nie seit den Zeiten des Kreuzritterordens und seiner Säkularisierung. Vor dem Kriege diente sie Menschen der protestantischen Konfession mit deutsch-polnisch klingenden Namen. Das merkt man an den gut erhalten gebliebenen Gedenktafeln zu Ehren der im 1. Weltkrieg und sogar auch in den napoleonischen Kriegen Gefallenen.

Die jetzige Kirche ist eine evangelisch – methodistische Kirche und Pfarrgemeinde, eine von den 42 evangelisch-methodistischen Pfarrgemeinden, die zur Zeit in Polen wirken. Von ihrem unbestrittenen direkten Zusammenhang mit der Vorkriegszeit zeugt die bescheidene Gedenktafel, an welcher alle hier seit dem 17. Jh. amtierenden Pfarrer in kontinuierlicher Reihenfolge genannt worden sind. Der einschiffige Innenraum mit Orgelempore ist arm aber reichlich beleuchtet. Der Boden aus gotischen Ziegelsteinen sieht verschlissen aus und erinnert an viele Generationen , die bei Naturkatastrophen und historischen Gewittern ausgerechnet hier ihre Beruhigung suchten. Die Treppe , die auf die umlaufende Galerie und den Kirchenturm führt steht immer offen. In Glasvasen verwelken langsam einfache Schnittblumen aus dem Garten, passende zu der Jahreszeit Lupinen und Spireaen, völlig anders als die aufgeblähten übertriebenen Blumenladenkompositionen. Alles wirkt hier so einfach und wohl bekannt, daher geht es hier einer bescheidenen Menschenseele sehr gut. Ein Glück, dass die Kirche die schlimmsten Zeiten überstanden hat und weiterhin allen dienen kann, die sie brauchen. Das hilfsbereite Internet gibt an, dass der Pfarrer hier seit den siebziger Jahren bis August 2015 ununterbrochen ks. Zbigniew Reichelt war. Vielleicht erfahren wir mal, wer es jetzt ist?

Gleich hinter der Kirche auf der Straßengegenseite steht das Pfarrhausgebäude im altmodischen Garten. Das Haus ist unter dem vielen Grün kaum zu sehen, mittlerweile ist es mit seinem Umfeld so stark verwachsen, dass man sich dieses Gebäude gar nicht irgendwo anders vorstellen kann. Hier spürt man sich eindeutig eingeladen, man möge vorbeikommen. Leider haben wir unsere Kinderstube und somit unsere Hemmungen. Es ziemt sich nicht, jemanden unangekündigt zu besuchen, und zu besorgen gibt es in der Pfarre für uns vorerst nichts.

Daher gehen wir die Dorfstraße weiter bis zu dem alten vom schönen Park umgebenen Gutshaus, das heutzutage ein Hotel beherbergt. Sein ehemaliger Besitzer war die kaufmännische Familie Wien, die mit dem deutschen Nobelpreisträger in Physik Wilhem Wien verwandt war.

Sonst ist uns von der Geschichte dieses Gutshauses nicht viel bekannt. Das gegenwärtige Gebäude wurde in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts errichtet, ursprünglich war es von einer Parkanlage mit Seeblick umgeben. Eine gewisse Zeit lang stand es im Eigentum der Agentur für landwirtschaftliche Immobilien, derzeit wird hier ein Hotel betrieben. Bis jetzt haben wir es aber nie von innen gesehen. Die Anlage scheint sich auf größere Feierlichkeiten und Empfänge wie Erstkommunionen, Tauffeiern, Hochzeiten usw. zu spezialisieren. Es sieht nicht so aus, dass hier auch Wanderer willkommen geheißen werden. Die Vorfahrt mit sehr gepflegtem Grün, allerdings ohne irgendein Informationsschild über die Geschichte des Ortes und des Gutshauses und über seine Eigentümer aus der Vorkriegszeit. Es kann sein, dass es keinen großen historischen Wert hat und somit gibt es hier nichts zu berichten. Um das Gutshaus herum ein großzügig angelegter Garten, wo die erhalten gebliebenen alten Parkbäume und die zeitgenössischen Pflanzungen ein geschmackvolles Ganzes bilden.

Nun haben wir das Ende von Kraplau erreicht, gleich hinter dem Gutshaus beginnen Wiesen und Felder, die Straße führt uns weiter in Richtung Szyldak,/Schildeck, wo sich die von den Landwirten sehr hoch geschätzte Kartoffelzuchtanstalt befindet.

Eine kleine Sammlung von sehr gepflegten menschlichen Ansiedlungen. Durch ihr ruhiges jetziges Dasein sind hier und da die Spuren der Vergangenheit sichtbar, manche sehr sorgfältig gepflegt. Es lohnt sich wirklich hier eine Weile stehen zu bleiben.

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